Samstag, 15. Oktober 2011

QUILOMBO – MISSION im Vale do Ribeira

(Einzugsgebiet des Flusses Ribeira)

Bruder Ivo dos Santos Fiuza

(Leiter der Quilombo-Mission)



An aller erster Stelle möchte ich Gott und der Ordensgesellschaft (Gesellschaft des Göttlichen Wortes - SVD) dafür danken, dass ich meine missionarische Arbeit in den Quilombola-Gemeinschaften ausführen darf. Jedes Mal, wenn ich in diese Gemeinschaften gehe, komme ich von dort beeindruckt und gestärkt von der Mystik und Spiritualität der hier lebenden Menschen, zurück. Im Folgenden möchte ich ein wenig von meiner Mission, der Geschichte dieser Gemeinschaften, ihrer heutigen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Situation erzählen.

Missionarische Arbeit

Neben meiner Teilnahme an den spezifisch pastoralen Aktivitäten (Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente, der liturgischen Feierlichkeiten, Bibel-Gespräche, Familien- und Jugendarbeit), stehe ich diesen Menschen auch in allen anderen Bereichen ihres Lebens bei. Hierbei geht es besonders um die Wahrung der Geschichte und Kultur dieser Quilombo-Bevölkerung, wie auch um den Schutz ihres Lebensraumes durch eine nachhaltige und verantwortliche Nutzung der natürlichen Ressourcen. Nach Erhebung der Anzahl der Quilombo-Gemeinschaften und deren sozio-ökonomischen Situation, legten wir die Schwerpunkte unserer Arbeiten fest.

– Bildung von Führungskräften: Wir bemühen uns um die Bildung von Führungskräften in den Ortsgemeinschaften. Bildung und Information sollen dazu beitragen, dass die hier wohnenden Menschen selbständige und aktive Bürger ihrer Geschichte werden.


EACONE: Mit der Gründung der NOG „Eacone“ koordinieren und beraten wir die Gemeinschaften bei ihren Bemühungen um die rechtmässige Anerkennung ihrer Grundstücke. Zwar stehen ihnen diese laut Grundgesetz zu, allerdings besitzen bis heute nur wenige der Gemeinschaften den Rechtstitel auf ihr Land.

– Nachhaltige Land- und Forstwirtschaft: Die Einführung einer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft soll den Familien ihren Unterhalt garantieren und zugleich den Atlantischen Urwald schützen.
– Schaffung von Gemeinschaftsräumen: In regelmässigen Versammlungen sollen hier die gemeinsamen Bedürfnisse und Probleme der Gemeinschaften erörtert werden.

Geschichte

Ab 1530 wurden Sklaven aus Afrika nach Brasilien gebracht, wo sie unter den aller schlimmsten Umständen in den Minen, auf den Grossgrundbesitzen und im Städtebau arbeiteten. Immer wieder versuchten sie diesen unmenschlichen Bedingungen zu entfliehen. Diejenigen, die es schafften zu entkommen, bildeten die sogenannten Quilombo – Gemeinschaften. Quilombos, das waren also die Zufluchtsorte der geflohenen Sklaven. Die dahin geflohenen Menschen waren in erster Linie Neger und Mestizen, obwohl es unter ihnen auch einige Indianer und sogar Weisse gab. Das Wort Quilombo leitet sich von „kimbundo oder quimbundo“ ab, einer der afrikanischen Bantu-Sprachen, die besonders im Nordosten Angolas gesprochen wird, und von wo viele Sklaven nach Brasilien eingeschifft wurden. Es war aber in Brasilien, wo das Wort „quilombo“ seine Bedeutung als „unabhängige Gemeinschaft entflohener Sklaven“ erhielt. Traditionell befanden sich die Quilombo-Gemeinschaften in Regionen, weitab von den urbanen Zentren und an Orten, wohin man nur sehr schwer Zugang hatte. Tief versteckt in den Wäldern und im Dschungel oder in den Bergen, bildeten sich hier Ortschaften, die sich der Subsistenz-Landwirtschaft und manchmal auch dem Handel widmeten. Es existieren Register von Quilombos in allen Regionen des Landes. Besonders aber in Alagoas (Nordosten des Landes), genauer im Landesinneren des Bundeslandes in der Stadt „União dos Palmares“, die bis heute den grössten und wichtigsten Quilombo beherbergt, den es je gab: Quilombo dos Palmares. Obwohl die Slaverei offiziell am 13. Mai 1888 in Brasilien abgeschafft wurde, erhielten sich einige dieser Quilombo-Gemeinschaften, Dank ihrer Abgeschiedenheit, bis in unsere Tage. Andere wandelten sich in Ortschaften um, wie zum Beispiel die Quilombo-Gemeinschaften am Fluss Ribeira von Iquape, im Bundesland São Paulo. Im Jahre 1988 (also genau 100 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei) wurde das brasilianische Grundgesetz überarbeitet. In diesem neuen Text heisst es im Artikel 68: „Alle Länder, die 100 Jahre lang von den Nachkommen ehemaliger Sklaven bewohnt und bebaut wurden, gehen in den rechtmässigen Besitz dieser Quilombo-Gemeinschaften über“. Tatsächlich ist die Lage aber heute so, dass von den 50 Quilombo-Gemeinschaften, die es im Einzugsgebiet des Flusses Ribeira gibt, bis heute nur wenige den Rechtstitel auf ihre Länderein besitzen.

Kultur und Nachhaltigkeit

- Ökologischer Reichtum,

- Bevölkerung (Caiçaras, Indígenas, Quilombolas)

Erfahrungen nachhaltiger Nutzung der Ressourcen

Das Vale do Ribeira (Ribeira-Tal) befindet sich im Süden des Bundeslandes São Paulo und im Norden des Bundeslandes Paraná und umfasst ein Gebiet von 2.830.666 Hektar mit einer Bevölkerung von 481.224 Menschen. Hier befinden sich insgesamt 31 Stadtgemeinden. Diese Region zeichnet sich durch die Erhaltung des Waldbestandes und ihre ökologische Vielfalt aus. Mehr als 2,1 Millionen Hektar Wald entsprechen ca. 21% der noch vorhandenen Reste des Atlantischen Regenwaldes in Brasilien, und stellen damit die größte zusammenhängende Fläche dieses wichtigen Ökosystems dar. Im Gegensatz zu diesem wertvollen ökologischen Erbe zählt das Vale do Ribeira historisch zu den ärmsten Regionen der Bundesstaaten São Paulo und Paraná. Ihre Städte haben in allen Bereichen ein niedrigeres Niveau menschlicher Entwicklung: Bildung, Beschäftigung, Einkommen etc. Die Suche nach Arbeitsplätzen und das Defizit an Bildungsmöglichkeiten führen dazu, dass ein Grossteil der erwerbstätigen jungen Bevölkerung in andere Regionen migriert. Diese Situation wird zudem durch die Nähe zu den zwei großen Industriestädten, São Paulo und Curitiba, verschlechtert. Denn obwohl in jüngster Zeit viel in die Infrastruktur investiert wurde, wie etwa in die Verdoppelung der Regis Bittencourt Autobahn (BR-116), existieren auch Pläne zum Bau von Staudämmen, um das Wasser dieser Region in diese Industriestädte abzuleiten. OuvirLer foneticamenteNach offiziellen Angaben (Sebrae) ist das Vale do Ribeira derzeit durch eine hohe Konzentration von kleinen Betrieben, mit bis zu 50 Hektar, geprägt. Die wichtigsten Ernten stellen derzeit die Bananenproduktion dar, gefolgt von der Produktion von Rindfleisch, Tomaten und Mandarinen. Die regionale Wirtschaft produziert ausserdem noch Mate-Tee, Reis, Mais und Blumen. Bedeutend ist auch der Anteil der Fischerei an der Küste.


Ökologischer Reichtum

1999 wurde diese Regenwald-Reserve, zu der 17 Gemeinden im Vale do Ribeira gehören, von der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Kein Wunder, denn in den 24 Schutzgebieten, die ganz oder teilweise in das Tal eingebettet sind, finden sich seltene Baumarten (Zedern, Palmen, Zimt und Araucaria), und eine Vielfalt an Bromelien und Orchideen. Vorläufige Untersuchungen, die in einigen der Naturschutzgebiete durchgeführt wurden, ergaben, dass hier Dutzende von Tierarten bedroht sind. Unter ihnen der Jaguar, Ozelot, Pampas Rehe, Alligator, und 42 einheimische Arten, wie der gestreifte Kolibri, der graue Delphin und das Löwenäffchen mit dem schwarzen Gesicht.
Eine Besonderheit der Region ist, dass diese Naturschutzgebiete von Indianern und auch von Quilombolas bewohnt werden. Der Umweltschutz stellt somit die natürliche Berufung des Vale do Ribeira dar.

Bevölkerung

Nicht nur die reiche Artenvielfalt macht diese Region so einzigartig, sondern auch sein kulturelles Erbe ist gleich wertvoll. In diesem Gebiet befindet sich die grösste Anzahl von Quilombo- Gemeinden im ganzen Bundesstaat São Paulo, Caiçara Gemeinden, die Guarani-Indianer, Fischer und Kleinbauern. Es handelt sich um eine kulturelle Vielfalt, die nur selten an Orten gefunden wird, die so nahe an stark urbanisierten Regionen wie São Paulo und Curitiba liegen.

Caiçaras

(Caiçara ist ein Wort der Tupi Sprache, das sich auf die Bewohnern der Küstengebiete bezieht. Zunächst wurden damit nur die Fischer an der Küste bezeichnet, später aber wurde der Begriff auf alle Küstenbewohner ausgeweitet, besonders auf die Bevölkerung an der Südküste Brasiliens.) Über 80 Caiçara-Gemeinden (2.456 Familien) leben entlang der 140 Kilometer langen Strecke des Flussmündungssystems von Iguape über Cananéia bis Paranaguá. Ihre Lebensweise ist hauptsächlich durch die Interaktion mit der Natur, ihren Zyklen und den nachwachsenden Rohstoffen geformt. Der Fischfang ist ihre wichtigste wirtschaftliche Aktivität, die unter geringer Umweltbelastung durchgeführt wird. Wie die Wirtschaft, sind auch die kulturellen und sozialen Aktivitäten von der Organisation rund um die Einheit der Familien geprägt, sowohl im Haushalt wie auch in der Gemeinde.



Indígenas
(Als Indígenas bezeichnet man Ureinwohner, Menschen also, die in einem bestimmten geographischen Gebiet vor der Besiedlung durch andere Menschen, besonders vor der Kolonialisierung, hier lebten). Die indianische Bevölkerung des Gebiets ist in zehn Dörfern organisiert. Ihre Familien setzten sich aus den Untergruppen Ñandeva und Mbyá der Guarani-Indianer zusammen. Nach Angaben der FUNAI (National Indian Foundation) leben hier etwas mehr als 400 Indianer. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie sich auf der Basis einer traditionellen Landwirtschaft. Jagd und Fischerei sind saisonale Aktivitäten, wobei ihre Beziehung zu Raum und Natur stark von ethischen und religiösen Normen geprägt wird.

Erfahrungen nachhaltiger Nutzung der Ressourcen

Heute gibt es in der Region eine Reihe von Projekten und Aktivitäten nachhaltiger Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, und es zeigen sich auch schon die ersten positiven Ergebnisse. Ein gutes Beispiel dafür ist der Tourismus, welcher der lokalen Bevölkerung Arbeitsplätze verschafft. Eine der größten Attraktionen der Region sind Tropfsteinhöhlen, die zu den schönsten der Welt zählen. Die berühmteste unter den mehr als 200 katalogisierten Höhlen, ist die Höhlen des Teufels (Caverna do Diabo). Öffentliche Investitionen in Parks, Straßen und Wege fördern den Öko- und Abenteuertourismus.

Forstwirtschaft Die Forstwirtschaft produziert und vermarktet Setzlinge von einheimischen Arten des Atlantik-Urwaldes und stellt eine Einnahmequelle in vielen Gemeinden dar. In ländlichen Gemeinden werden diese Setzlinge in Baumschulen produziert und verkauft. Auf diese Weise verhindert man, dass verschiedene Baumarten, die vom Aussterben bedroht sind (wie etwa die Juçara Palme), durch Wiederaufforstung gerettet werden. Die Gemeinde Rio Preto arbeitet zum Beispiel mit Setzlingen von etwa 30 Arten von Harthölzern wie Caixeta, Inga, Umbaúba und Zeder, und hat heute einen Bestand von ca. 50 000 Setzlingen. Der Preis dieser variiert von 50 Cent bis 1 Dollar, abhängig von der Art. Das eingenommene Geld wird unter den Mitgliedern aufgeteilt, wobei ein bestimmter Betrag für die Instandhaltung der Vereinigung vorbehalten wird.

Juçara - Palme

Die Wiederaufforstung der Juçara-Palme wird seit Jahren erfolgreich durchgeführt. Aus der Frucht des Baumes wird ein energiereicher Saft gewonnen. Die Produktion des Saftes ist eine lukrative Alternative zum Abschneiden der Palme.








Marikultur - Fischfang

Die Züchtung von Austern, Muscheln und Fischen in Teichen, hat positive Ergebnisse für die Gemeinden der einheimischen Bevölkerung des Vale do Ribeira gebracht. Durch eine intensivere Produktion erhöht sich das Einkommen der Fischer ganz erheblich, besonders in den Monaten in denen der Tourismus zunimmt.

Bis Mitte der 90er Jahre wurde wenig Rücksicht auf die Schonzeit und Mindestgrösse der Fische genommen. Ausserdem verkauften die Fischer ihre Produktion an Zwischenhändler und verdiente somit sehr wenig. 1994 gründeten die Fischer ihre eigene Genossenschaft, begannen mit der Zuchtfischerei und verkaufen heute ihre Produktion direkt an die Komsumenten.

Alle diese Initiativen, von denen viele die Unterstützung von Forschungsinstituten und Organisationen der Zivilgesellschaft besitzen, haben gezeigt, dass das Vale do Ribeira heute ein neues Entwicklungsmodell besitzt. In diesem Modell wird die Schaffung von Einkommen für die armen Familien und der Schutz der Natur vereint. Die Förderung der lokalen Entwicklung und zunehmende Wachstumschancen verbesseren die Lebensqualität der hier lebenden Menschen.

„In diesem historischen, sozialen und wirtschaftlichen Umfeld lebe ich meine missionarische Berufung. Gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort, im festen Glauben an einen befreienden Gott, stellen wir uns den konkreten Herausforderungen unserer Zeit.“ Br. Ivo

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Um mehr über die Arbeit von Ivo dos Santos Fiúza zu erfahren, kilcken Sie hier.







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